Gedanken und Ängste
09.11.2008
Gedanken über den Tod
Über den Tod, das Sterben dachte ich schon lange vor meiner Erkrankung nach. Wie wirst du sterben, wie ist es tod zu sein? Meine Wunschvorstellung war recht gesund alt werden zu können und dann einfach ins Bett gehen und nicht wieder wach zu werden, wenn es so weit ist. Oder aber, so konnte ich es mir für mich auch vorstellen, einfach umfallen, tod sein, nicht vorher bewußt erleben das der Tod vor der Tür steht. Sicher wünschen sich die meisten Menschen diese Form vom Sterben. Siechtum und Krankheit, das habe ich mir für mich nicht vorstellen können, oder einfach nicht wollen, ausgeblendet. Und das ist sicher nicht verkehrt gewesen...
Mit der Diagnose Krebs kam der Tod ein Stückchen näher. Mit dem Zusatz Metastasen, den es im Januar 08 gab, wurde der Tod noch ein Stück realer für mich und fordert eine Auseinandersetzung, die sich nicht verschieben lässt. Ich durchschreite viele Gedanken- und Gefühlsebenen, die sich einstellen, gewollt, oder nicht gewollt! Tod sein, sterben, das müssen wir alle erleben, keine neue Weisheit. Nur ist es ein gewaltiger Unterschied zu wissen wie man stirbt, einen absehbaren Zeitraum zu kennen in dem der Tod eintritt, zu dem Wunsch einfach umzufallen und dann ist es vorbei.
Das Wissen um das Wie, das macht es mir schwer. Zuschauen, fühlen zu müssen wie dieser Scheiß Krebs sich nach und nach ein Stückchen mehr von mir nimmt, ist wie der Tod auf Ratenzahlung. Sind meine gelebten Tage Gewinn oder Verlust? Verlust! Jeder Tag ein Verlust des Restes der mir bleibt, so erlebe ich es. Verlust der Lebensqualität, phsychisch, wie auch physisch. Ich kann keinen Tag als Gewinn erleben, mag er auch noch so gut sein, wenn der Verfall voran schreitet. Sicher, das ist Betrachtungsweise eines Jeden, ich erlebe es so.
Kraft, Kampfgeist, Lebenswille? Verlängert das alles mein Leben? Wozu, wenn ich doch jeden Tag als Verlust empfinde? Sich auflehnen, sich dem Krebs mutig gegenüber zu stellen und ihm "sagen", du bekommst mich noch nicht? Wozu? Das findet nur im Kopf statt, der Körper spricht eine andere Sprache, zeigt die Realität! Da klafft eine Lücke zwischen Verstand, Gedanken und Empfinden. Ich kann "meinen" Krebs nicht mit Gedanken steuern, ihm diese als Waffe entgegen halten, wenn der Körper ganz anderes spricht. Mit dem Voranschreiten der Krankheit erlebe ich meinen Körper anders, fast so als gehöre er mir nicht? Die Lücke? Ja, das ist sie! Ich erlebe mich im Gedanken als Hui (die alte Regina) und den Körper als Pfui!
Seit einigen Tagen passiert etwas mit mir, das ich noch nicht zuordnen kann? Immer öfter kommt da der Gedanke, ok, du bist bereit zu gehen. Warum? Um Körper und Gedanken in Einklang zu bringen? Sich nicht mehr gegen etwas sperren, das nicht zu verhindern ist? Seit einigen Tagen erlebe ich Schmerzen im Körper, die vorher nicht da waren? Erlebe ich sie nun "nur" weil Geist und Köper zusammen kommen wollen? Weil ich irgend wie bereit bin, sein muss?
Wie ist es tod zu sein? Als nicht gläubiger Mensch, im Sinne einer Religionstheorie, kommt nach dem Tod für mich ein Nichts. Ich kann nicht anders denken als das nach dem Tod nichts ist. Als Kind lag ich oft Stunden lang im Gras und schaute dem Ziehen und Treiben der Wolken zu. Ich sah in ihnen Gesichter, Figuren, Pflanzen, Tiere, die sich nach und nach veränderten, um sich dann zu Neuem zu formieren. Dieses Erleben machte mich glücklich, brachte mir eine unheimliche Entspannung, ließ mich Wolken als verspielt und so schnell vergänglich erleben, um neuen Wolken Platz und meiner Phantasie Raum zu geben. Diese Erinnerungen kamen mir vor einigen Tagen? Und dann kam da der Gedanke, das ich diese HP "Wolgengedanken" nannte? Nein, als ich sie ins Leben rief war da keinerlei Bezug zu diesen Kindheitserinnerungen? Warum der Name "Wolkengedanken"? Zufall? Und es kam noch ein Gedanke, ich würde gern nach dem Tod eine Wolke sein......
29.07.07
Im Moment ist es so, das ich mich meiner Gedanken schäme!?
Ich schwächel und das ist mir fremd.
30.07.07
Als mein Mann mich am Donnerstag letzter Woche aus der Klinik abholte, gab es eine "kleine" Begebenheit. Er fuhr zunächst zu einer Tankstelle, um etwas zu besorgen. Hielt an, öffnete die Tür, stieg aus und bückte sich nach etwas, das am Boden lag. Kam dann zu mir ins Auto, gab mir ein 1 Cent Stück, das er da beim aussteigen gefunden hatte. Er sagte, guck mal, den fand ich gerade, er soll dir viel Glück bringen. Ich trage ihn seit dem bei mir.
03.08.2007
Ich habe heute das erste mal freie, positive Gedanken. Ich sehe, ich höre, ich bin wieder da. Ganz sicher lag es an der guten Aufnahme, den Erfahrungen die ich machen konnte, gestern in der Klinik. Ein wenig zurückhaltend muss ich noch sein, klopfe mir in meiner Euphorie selbst auf die Finger und mahne mich daran zu denken das noch ein entscheidender Befund fehlt.
06.08.2007
Was ich denke kann ich nicht aussprechen. Was ich spreche hat keine Bedeutung. Spreche ich aus was ich denke dann sehe ich im Gegenüber Traurigkeit, Entsetzen und Hilflosigkeit. Ich mag sie nicht sehen...
17.09.07
Vor 7 Tagen erhielt ich meine erste Chemo. Die ersten Tage waren ok, dann kam der Hammer. Ich hoffe, ich bin nun durch und komme wieder auf die Füße. Die Tage, in denen ich mich den Nebenwirkungen der Chemo hin gab, die brachten viele Gedanken. Gedanken über den Tod, über das Leben, über Verantwortung und darüber wie viel ich Eigenanteil habe, an dem was ich nun lebe. Ich hasste mich für meine Gleichgültigkeit, wenn es um die Krebsvorsorge ging. Ich tadelte mich meiner Schwäche, die ich nicht leiden kann....
Der Hauptgedanke allerdings war... du musst das hier durchstehen, damit du wieder da bist wo du warst, wo du sein magst! So eine hinterlistige Krankheit kann man nur mit noch hinterlistigeren Therapien schlagen, also durch! Ich hoffe der Chemo-Cocktail nimmt auch die letzte Tumorzelle mit sich und befreit mich auf Dauer von diesem Übel!
29.07.07
In den letzten Tagen las ich einiges im Internet zum Thema Krebs, die Chancen auf Heilung, den tödlichen Verlauf. Es gelingt mir nicht immer zu lesen was ich da an Infos finde. Und es gelingt mir nicht so zu lesen, das ich Hoffnung, Mut und Kraft dort finde. Ich lese all diese Informationen ganz anders. Es macht die Angst größer, es macht mir Übelkeit.
In der letzten Nacht hatte ich einen Traum...
ich träumte, das ich morgens aufwache, aufstand und meine Haare auf dem Kopfkissen liegen blieben. Ich schaute auf das Kissen, schaute auf meine dort liegenden Haare und lief weg.
Weglaufen, ja das ist es, was ich möchte...
Sind es eigentlich Ängste, oder ist es Traurigkeit? Es vermischt sich wohl beides. Traurigkeit ist da wenn ich mich umsehe und mir bewusst wird was ich verlieren könnte. Ängste kommen immer dann wenn ich daran denke, was ich auf mich nehmen muss um jetzt nichts zu verlieren. Und dazwischen ist erstaunliche Leere? Wo ist der Rest von mir?
03.08.07
Die Ängste sind weniger, die Erkrankung erscheint mir inzwischen "vertrauter"..... Ich weiß das harte, schwere Wochen, Monate auf mich zu kommen. Ich weiß das es zu schaffen ist! Viele, viele Frauen schaffen es, einzig mit dem Wunsch auf Leben....
06.08.07
Es gibt Ängste, darüber spricht man nicht mehr. Nein, nicht die Ängste vor dem Tod sind es! Es sind die Ängste vor der Endgültigkeit bis zum Tod. Die Ängste anderen weh zu tun, sie zu überfordern, sie zu enttäuschen.
30.08.07
Angst, heute ist sie da, mächtig und schwer! Heute ist der erste Termin bei meinem Onkologen, ich werde den Behandlungsablauf erfahren....
Chemo, sie bedeutet leben, sie besdeutet eine schwere Zeit zu erleben, kämpfen müssen, sie bedeutet Angst. Es werden Dinge mit meinem Körper passieren, auf die ich keinerlei Einfluss habe. Seit dem ich vor 2 Tagen den Port eingesetzt bekam fühle ich mich zerstümmelt! Bisher war es "nur" die Narbe, dort wo zuvor meine Brust war. Nun ist ein noch hässlicher Kasten unter der Haut, der zusammen mit der Narbe und dem Kommendem mich mir selbst fremd macht. Bei jeder Bewegung spüre ich.... Port = Chemo.... Chemo = Haarlos.... Chemo = Kotzen... Chemo = Schmerzen.... Chemo = Kortison... Chemo = Schwäche, Müdigkeit..... Chemo = Leben?
14.10.07
Ängste, sie sind natürlich nicht immer da. Aber sie kommen, haben einen Auslöser. Ein Auslöser ist Schmerz. Noch vor wenigen Monaten wahrgenommen, in die Ecke gestellt und vergessen, meist mit Erfolg, hat er heute eine ganz andere Wirkung. Zunächst noch mit... ach was... Einbildung, wahr genommen, lässt er einem keine Ruhe. Man wird sensibel und hinterfragt. Da ist dann auch gleich der Versuch sich dagegen aufzulehnen, es zu bagatellisieren. Funktioniert nur bedingt, wenn dann das Wort Krebs sich in den Vordergrund drängt. Die Überlegungen folgen. Gehe ich zum Arzt, will ich weitere Untersuchungen, deren Ergebnisse wieder Tage auf sich warten lassen? Will ich überhaupt ein Ergebnis wissen??? Abwarten, das vergeht schon wieder! Tut es nicht, ist Tag für Tag zu spüren, mal mehr, mal weniger? Und dann kommt sie, diese Angst, bohrt und bohrt wie Zahnschmerz. Gegen Zahnschmerzen kann ich etwas tun, gegen diese Ängste..... Man bleibt mit ihnen allein!
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